Der kleine Kirchturm erzählt: Palmsonntag

Hallo liebe Kinder, ich bin wieder da, euer kleiner Kirchturm.

Heute bin ich nicht allein. Ich habe meinen Freund Leo, die Taube, mitgebracht. Leo wohnt schon lange bei mir auf dem Kirchturm; heute wollte er unbedingt mitkommen. – Nanu, wo ist Leo schon wieder hingeflattert? Andauernd ist er unterwegs!

„Kleiner Kirchturm, kleiner Kirchturm, es ist etwas Schlimmes passiert! Die Kirche ist ausgeraubt worden. Alle Türen sind offen, Kerzen brennen, Licht ist an, aber es ist niemand zu sehen und keiner spielt die Orgel,“, ruft Leo ganz aufgeregt.

Da muss ich doch gleich mal nachschauen. Tatsache, Leo hat recht: Es ist niemand da.

Leo flattert ganz aufgeregt durch die Kirche. ‚Leo, sei mal still‘, rufe ich. ‚Hörst du nicht den Gesang? Er kommt vom Pfarrgarten. Lass uns mal hingehen.‘

Leo war schon nach draußen geflattert und kam gleich wieder zurück. „Stell dir vor, lieber Kirchturm, sie machen einen Umzug und in den Händen halten sie Äste. Und stell dir vor, sie singen ein Adventslied: ‚Macht hoch die Tür, die Tor‘ macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit‘. Kleiner Kirchturm, ich glaube, hier läuft etwas ganz verkehrt“, zwitschert Leo.

Leo, komm, beruhige dich. Setz dich auf mein Turmfenster und hole erst mal Luft. Ich weiß, was da los ist, lieber Leo. Heute ist Palmsonntag. Das Lied, das da gesungen wird, ist ein Palmsonntagslied. Die Menschen sollen das Tor öffnen, denn es kommt Jesus und möchte einziehen in die große und heilige Stadt Jerusalem. Die Leute ziehen in die Kirche ein. Sie gehen eine kleine Wegstrecke mit Jesus. Sie erinnern sich daran, dass Jesus vor 2000 Jahren in Jerusalem einzog. Heute ziehen die Menschen gemeinsam feierlich durch die Kirchentür in die Kirche ein. Damals vor 2000 Jahren zog Jesus auf einem Esel mit seinen freunden durch das große Stadttor nach Jerusalem ein. Viele Menschen jubelten ihm zu. Sie begrüßten Jesus wie einen König, wie den Retter des Volkes Israel. Sie hatten Palmzweige in den Händen und riefen: ‚Gepriesen sei Jesus! Er kommt im Namen Gottes. Gepriesen sei Gott!‘ Sie schmückten den Weg mit bunten Teppichen, Tüchern und Kleidungsstücken. Das muss so ausgesehen haben, wie wenn heute für einen Popstar ein roter Teppich ausgerollt wird. Jesus freute sich über den Jubel, aber er wusste: Nicht mehr lange und diese Menschen werden rufen: ‚Wir wollen diesen Jesus nicht. Ans Kreuz mit ihm!‘

„Kleiner Kirchturm“, sagte Leo, „die Geschichte fing so schön an und endet so traurig. Was wurde aus Jesus? Wenn er das alles wusste, was auf ihn wartete, warum ging er nicht ganz schnell weg aus der Stadt? Also ich würde ganz schnell wegfliegen und mich in Jerusalem nicht mehr blicken lassen.“

Weißt du, kleine Taube, das kann passieren, wenn man Jesus nicht richtig verstanden hat. Die Leute haben zwar die Tore aufgemacht für Jesus und den Weg geschmückt, damit er nach Jerusalem einziehen kann. Aber viel wichtiger wäre es gewesen, dass sie ihre Herzen für Jesus öffnen. Denn wenn jemand Jesus in sein Herz lässt, dann wird sein Leben von Gottes Liebe erfüllt. Und dann würde er so was nicht machen. – Nun hatte Jesus ja einen großen Plan. Er wollte seinen Freunden noch etwas ganz Besonderes schenken, bevor er sterben musste. Das hat er am Gründonnerstag getan. Aber das erzähle ich Dir nächste Woche.

Komm mit in die Kirche. Heute am Palmsonntag wird die Leidensgeschichte Jesu vorgelesen. Sei ganz still, sonst jagt dich der Küster aus der Kirche. Tauben haben nichts in der Kirche zu suchen. Du kannst nur heimlich auf dem Kirchturm wohnen.

„Ach, mach dir keine Sorgen, kleiner Kirchturm. Wenn der Küster mich sieht, sage ich einfach, dass ich der Heilige Geist bin, denn der wird meistens als Taube dargestellt“, sagte lachend Leo die Taube und setzte sich leise an den Beichtstuhl.